Wandel mit Augenmaß


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Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen. Dieses Sprichwort war wohl kaum einmal aktueller als jetzt. Denn wohin man auch schaut – der Strukturwandel ist überall. Manchmal sprechen wir von einer Zeitenwende. Dabei geht es nicht nur um die große Weltpolitik, die uns lehrt, wie wichtig es ist, dass Demokratie wirklich wehrhaft ist. Es geht auch nicht nur um Themen auf Bundesebene wie die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, die nach aktuellem Stand für neue Heizungen die Nutzung „grüner Gase“ ab 2029 vorschreiben soll.

Vielmehr geht es darum, welche Herausforderungen sich für Unternehmen und Kommunen im konkreten Fall ergeben. Wir benötigen beispielsweise Kalk in allen Lebensbereichen – für den Haus- und Straßenbau, die Eisen- und Stahlproduktion, Glas und Kunststoffe bis hin zu Lebensmitteln und Getränken. Bei der Kalkherstellung fallen jedoch riesige Mengen CO2 an – was künftig möglichst vermieden werden soll. Europas größtes Kalkwerk in Wülfrath-Flandersbach hat sich daher auf den Weg gemacht, wie CO2 bei der Produktion abgeschieden werden kann. Außerdem geht es darum, wie mit einer Transport- und Speicherinfrastruktur die Dekarbonisierung beschleunigt werden kann.

Auch in Ratingen bieten sich viele Herausforderungen und Chancen – gerade wenn es unser Ziel ist, vermehrt Einpendler zu Einwohnern zu machen. Dafür sind die Aktivitäten zur Reaktivierung des Personenverkehrs auf der Westbahnstrecke ein wichtiger Ansatzpunkt. Die Planungen für den neuen Westbahnhof bieten Chancen für die Gestaltung des dortigen Umfelds. Wo bisher öde Industrieflächen waren, könnte auf längere Sicht urbanes Leben einziehen, dringend benötigte Wohnflächen könnten neu geschaffen werden.

Was aber nicht passieren darf: dass alteingesessene produzierende Unternehmen verdrängt werden, obwohl sie erfolgreich und zukunftsweisend am Markt operieren. Natürlich hat es in der Vergangenheit immer wieder Veränderungen gegeben – denken wir nur daran, dass Calor Emag vor einem Vierteljahrhundert an den äußersten Ratinger Stadtrand gezogen ist und auch Unternehmen wie die Ratinger Maschinenfabrik und Balcke-Dürr die Produktion in der Innenstadt aufgegeben haben. Ratingen muss aber gerade im Hinblick auf einen sinnvollen Branchenmix darauf bedacht sein, produzierende Unternehmen nicht durch unrealistische Planungen zu vergraulen. Die Pandemie hat gezeigt, auf welch unsicheres Terrain man sich mit der ausschließlichen Ausrichtung auf Büroarbeitsplätze begibt. Daher gilt: Wandel ja – aber mit Augenmaß.

Dr. Axel Mauersberger