Ratingens finanzielle Lage ist nicht rosig. Die finanziellen Spielräume haben sich verringert, die Ausgaben werden in den kommenden Jahren weiter massiv steigen. Dennoch muss nach Ansicht des Unternehmensverbands Ratingen (UVR) alles daran gesetzt werden, um die von der Verwaltung geplante Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes zu vermeiden. Das ist nach Ansicht des Verbands angesichts einer Ausgleichsrücklage von fast 240 Millionen Euro und eines Eigenkapitals zum Jahresende von rund 525 Millionen Euro möglich – und auch notwendig.
In den vergangenen Jahren hat die Stadt Ratingen regelmäßig Überschüsse erwirtschaftet. Trotz der Corona-Pandemie und ihrer negativen Auswirkungen auf den städtischen Haushalt lässt sich feststellen, dass die Verschuldung seit fast zwanzig Jahren immer weiter zurückgeführt werden konnte – auch in und jetzt nach der Pandemie.
Gleichzeitig befindet sich die Ausgleichsrücklage mit fast 240 Millionen Euro auf einem sehr hohen Niveau. Sie sollte in der jetzigen Situation genutzt werden, um den Gewerbesteuerhebesatz unverändert zu lassen und den städtischen Haushalt auszugleichen.
Hinzu kommt, dass Ratingen in Bezug auf den Eigenkapitalbestand im Kreis mit 525 Millionen Euro lediglich von Monheim mit 551 Millionen Euro übertrumpft wird. Städte wie Hilden und Langenfeld folgen mit jeweils rund 350 Millionen Euro mit weitem Abstand, bei den meisten anderen kreisangehörigen Städten sinkt das Eigenkapital seit Jahren kontinuierlich. Zudem liegt Ratingens Eigenkapitalquote bei mehr als 50 Prozent.
Positiv stimmt zudem die Tatsache, dass sich die Einnahmesituation bei der Gewerbesteuer in den letzten Wochen aufgrund positiver Nach-Coronaeffekte erheblich verbessert hat. Da sich außerdem nach aktualisierten Zahlen auch die Situation im Bereich der Kreisumlage positiver darstellen wird, ist in den kommenden Jahren mit einem geringeren Anstieg der Belastungen für Ratingen in diesem Bereich zu rechnen als bei der Haushaltseinbringung Ende September prognostiziert. Damit würde sich das Defizit erheblich verringern.
Der Unternehmensverband Ratingen rät deshalb dringend davon ab, den Gewerbesteuerhebesatz für die kommenden Jahre zu erhöhen. Die Ratinger Wirtschaftsvertretung hat sich immer für eine vorausschauende Planung im Bereich des Hebesatzes ausgesprochen. Seit vielen Jahren ist der Hebesatz der Gewerbesteuer in Ratingen unverändert bei 400 Prozentpunkten geblieben. Auch wenn in guten Jahren eine Senkung möglich gewesen wäre, hat der UVR unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität und Planbarkeit diesen Hebesatz mitgetragen. So wie in besseren Jahren eine Senkung nicht vorgenommen wurde, verlangt der UVR nun jedoch, in schwierigeren Zeiten keine Erhöhung durchzuführen.
Gründe dafür gibt es viele: Ratingen als Stadt im Düsseldorfer Speckgürtel ist bei der Neuansiedlung von Unternehmen erfolgreich, weil der Gewerbesteuerhebesatz seit langem um 40 Prozentpunkte unter dem der Landeshauptstadt liegt. Mit diesem Steuervorteil kann Ratingen punkten, soweit Unternehmen nicht zwingend eine Düsseldorfer Adresse haben wollen. Der Kostenvorteil würde jedoch auch bei der jetzt geplanten geringeren Erhöhung des Hebesatzes auf 416 Prozentpunkte erheblich zusammenschmelzen, weil die Stadt Düsseldorf ihren Hebesatz unverändert bei 440 Prozent belässt.
Damit würde sich Ratingens Wettbewerbsfähigkeit erheblich verschlechtern. Das ist vor allem deshalb kontraproduktiv, weil die Neuansiedlung von Unternehmen ins Stocken geraten ist. Selbst im Bereich des Vorzeigeprojekts Ratingen-Ost gibt es seit einiger Zeit trotz freier Flächen keine Neuansiedlungen. Vielmehr ist zu verzeichnen, dass Gewerbemieter den Standort verlassen, beispielsweise in Richtung des neuen EUREF-Campus am Düsseldorfer Flughafen mit seinen attraktiven Mietangeboten.
Überall in Ratingen gibt es Schilder, dass Gewerbeimmobilien zu vermieten sind, in Tiefenbroich und Homberg genauso wie in Ratingen-Ost. Es rächt sich nun, dass Ratingen seit längerem keine schlagkräftige Wirtschaftsförderung mehr hat. Während sich in anderen Städten viele Mitarbeiter*innen um die Neuansiedlung von Unternehmen, aber auch um die Bestandspflege kümmern, soll das in Ratingen derzeit eine einzige Mitarbeiterin mit 32 Wochenstunden erledigen. Notwendig ist jedoch eine aktive Suche nach Unternehmen, die den Standort Ratingen bereichern können und seine Vorteile insbesondere in Bezug auf die erstklassige verkehrliche Anbindung zu schätzen wissen. Einfach darauf zu warten, dass potente Unternehmen von selbst kommen, ist nicht ausreichend.
Ratingen darf bei der Festlegung des Gewerbesteuerhebesatzes neben Düsseldorf auch andere konkurrierende Gemeinden nicht aus den Augen verlieren. Städte wie Monheim und Langenfeld haben in den vergangenen Jahren ihre Hebesätze regelmäßig gesenkt, Langenfeld will ihn nun gezwungenermaßen wieder erhöhen. Im Vergleich dazu kann Ratingen hier mit Kontinuität punkten – sollte den Hebesatz aber auch in den jetzigen schwierigeren Zeiten beibehalten. Alles andere wäre ein falsches Signal an die örtliche Wirtschaft.
Hinzu kommt, dass sich die geschäftliche Lage bei den Unternehmen eingetrübt hat und die Erwartungen für das kommende Jahr sich weiter verschlechtern. Bei der vor kurzem durchgeführten jährlichen UVR-Konjunkturumfrage ist der Anteil der befragten Unternehmen mit höherem Auftragseingang gegenüber dem Vorjahr von fast 50 Prozent auf weniger als 30 Prozent zurückgegangen. Für das Jahr 2024 rechnen nur noch rund 18 Prozent der Unternehmer mit einer Geschäftsverbesserung, während rund 35 Prozent davon ausgehen, dass die Geschäfte sich verschlechtern werden. In einer solchen Lage und bei solchen Geschäftserwartungen sollte die Stadt Ratingen nicht auch noch den Gewerbesteuerhebesatz erhöhen.
Positiv sieht der UVR die Bereitschaft der Verwaltung, umfassende Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen, um das zu erwartende Defizit so weit wie möglich zu verringern. Dass durch die exorbitanten Entgelterhöhungen im öffentlichen Dienst die Personalausgaben erheblich steigen werden, ist bedauerlich, aber unvermeidbar. Umso wichtiger ist es, die Digitalisierung der städtischen Dienstleistungen voranzutreiben, um die Mitarbeitenden von Routinetätigkeiten zu entlasten. Dass hier durchaus Gefahren bestehen, zeigt der noch immer nicht vollständig behobene Cyberangriff auf die Südwestfalen-IT als IT-Dienstleister der Stadt. Auch wenn die städtische Homepage rund vier Wochen nach dem Cyberangriff noch immer nicht die volle Funktionsfähigkeit wieder erlangt hat, gibt es zur weiteren Digitalisierung städtischer Dienstleistungen aber keine Alternative. Deutschland darf sich bei der Digitalisierung nicht weiter abhängen lassen.
In Zusammenhang mit den Konsolidierungsbemühungen der Verwaltung appelliert der Unternehmensverband wie in den Vorjahren an die Fraktionen im Stadtrat, sich aller Wünsche nach Schaffung zusätzlicher Stellen zu enthalten, soweit diese nicht gesetzlich unabdingbar sind. Gleiches gilt für Sanierungs- und Neubaumaßnahmen: auch hier haben Schulen und Kitas aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen Vorrang. Hingegen sollten wünschenswerte Projekte, die aber nicht zwingend notwendig sind, zeitlich gestreckt oder im Einzelfall auch gar nicht realisiert werden.